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Ulrike
Helmholz |
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NIET
Bei Laune wird auch gerockt
Das NIET gönnt sich im Club alle Improvisatorische Freiheit.
Das New ist mittlerweile relativ. denn immerhin trifft sich das
Ensemble bereits im sechsten Jahr zur Arbeit an der
improvisierten Musik. als Werkstattbühne war es zu Beginn von
Organisator Thomas Maos gedacht. Eine Plattform für die improvisierenden
Musiker der Region, die mit ihren Vorlieben für Noise in den
klassischen Jazz-Zirkeln doch ein wenig
fremdelten.
Eine feste Band ist daraus geworden, die jedoch auf die üblichen
Bandprinzipien verzichtet. Der feste Probentermin etwa ist
ersatzlos gestrichen. Live ist wirklich Live , wenn Thomas Maos,
Gitarre, Ulrike Helmholz, Stimme, Jörg Honecker, Bass und
Ralf Meinz, Schlagzeug auf die Bühne in ihrem Heimatdomizil
Club
Voltaire , der das Projekt fördert, gehen. Jörg Kallinich
sorgt dabei für visuelle Reize zur Musik.
Es gibt zwar Absprachen, aber keine Probeläufe:
das Scheitern und Gelingen ist inbegriffen, erklärt
Maos den Reiz der dabei entstehenden Instantkompositionen. Das sind
straff organisierte Improvisationssuiten. Gleich bei zwei konzerten
am Wochenende war zu hören, daß das NIET geschickt Spannungen
aufzubauen und auch wieder zu lösen versteht. Auch in den kritischen
Momenten dazwischen schusselt kaum noch eine Unentschlossenheit
dazwischen über die Bühne, wie bei manchen Auftritten
in der Anfangszeit, als oft niemand zu recht wußte, wie es
nun weitergehen könnte. Auftrittsroutine. Auch die Flucht in
den schieren Lärm ist kaum mehr zu hören. Bei Laune aber
können die NIET-Musiker doch ordentlich rocken.
Im Club Voltaire stand ihnen am Samstag dabei der Münchner
Musiker Stefan Schessl mit seinem Akkordeon rythmisch skandierend
und mit melodisch griffigen Argumenten zur Seiten. Eine Verbindung,
die auf Anhieb passte. Das Zuspiel von (wechselnden)
Gästen ist für das Improvisationsensemble auch eine Strategie,
bei aller Routine Verkrustungen erst gar nicht gar nicht erst möglich
zu machen. Schließlich fordern
die unterschiedlichen Spielweisen der zum NIET gebetenen Mitmusiker
flexible Antworten. Dabei dürfen die Gäste durchaus Regie
führen.
Am Samstag wurde mit Schessl in freier Form gerockt, am Sonntag
präsentierten sich der New Yorker Schlagzeuger Lou Grassi und
Günther Heinz, Posaunist aus Dresden., erst einmal als Musiker,
die sich im geräusch orientierten Free-Jazz zuhause fühlten.
Statt für expressive Emphase interessierten sie sich mehr für
Sounds, und bei der Kontaktaufnahme der beiden mit den NIET-Musikern
wurden dann vorsichtig die Töne aneinander gelehnt. Die Verfertigung
der Musikalischen Gedanken bei beständigem Weitergehen mal
als behutsame Erkundung. Mehr an der Fragilität interessiert
als am Vortag. eine der möglichen Seiten des NIET.
Geräusch-Kombinationen, für die Emmanuela de Luca als
weiterer Sonntags-Gast auch ein spezielles Stückchen Beatles
im Gepäck hatte: Natürlich Number Nine vom
weißen Album als hübscher Musique Concrete-Kommentar.
Daß Grassi und Heinz bei ihrer aktuellen Tournee vorbeischauten,
ist dem Netzwerk zu verdanken, daß sich über die Arbeit
des NIET aufgebaut hat. Und in der Zukunft will das Ensemble umgekehrt
vermehrt auch außerhalb auftreten. Als Band, die immer Werkstattbühne
bleibt.
Thomas Mauch Schwäbisches Tagblatt, 28.
November 2000
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